Auch wenn der Titel des Stücks
ein klein wenig an die sonntagabendlichen Schmachtfetzen im ZDF erinnert
- Rosamunde Pilcher und ähnlich gepolte Kamikaze-Federn aus dem
trivial-literarischen Ertüchtigungslager hatten bei „Herzen im
Zwielicht“ Gott sei Dank nicht ihre Finger mit im Spiel. Zwar geht es
auch hier um Glück, Träume und Liebe, das aber vor einem ganz anderen
Hintergrund und auf einer ganz anderen Ebene. Und das Ende ist so auch
nicht vorhersehbar.
Mit einer Eigeninszenierung gleichen Namens will das kleine „Theater an
der Rott“ im niederbayerischen Eggenfelden die Musicalwelt im Frühjahr
2008 überraschen. Und es wäre nicht das erste Mal, dass die
Verantwortlichen des 400 Zuschauer fassenden Hauses, dem einzigen
landkreiseigenen Theater Deutschlands übrigens, mit einer originellen
Selbstproduktion für Aufsehen sorgen. Bei den „zwielichtigen Herzen“
könnte dies erneut der Fall sein. Auf Dauer wäre es ja auch etwas
niederschmetternd, würde das im südöstlichsten Zipfel von Germanien
gelegene und zum Landkreis Rott-Inntal gehörende Städtchen nur von dem
zweifelhaften Ruhm zehren, dass hier einst Daniel Kübelkotz (oder –böck)
im Kindergarten gejobbt hat. (Das soll übrigens keine negativen
Auswirkungen auf die geistige und sittliche Entwicklung des davon
betroffenen lokalen Nachwuchses gehabt haben). Eggenfelden hat darüber
hinaus aber durchaus auch noch mehr zu bieten – die prächtige gotische
Staffelkirche beispielsweise und/oder eine malerische Freilichtbühne.
Arbeitsagentur statt Schloss Herzschmerz
Gut, bei „Herzen im Zwielicht“ greift kein geldschwerer britischer
Adelsspross aus einer Jahrhunderte alten landgräflichen Dynastie im
romantisch gelegenen Cornwall-Schloss der einsamen Herzen nach selbigem
eines wunderschönen, aber durch Intrigen in bittere Not geratenen
Aschenputtels, um eben dieses allen Widrigkeiten zum Trotz zum Gipfel
des Glücks zu tragen. Der Schauplatz der Story ist viel profaner: der
heimelige Flur einer Arbeitsagentur irgendwo im Land, wo der deutschen
Michel vor sozialer Kälte fröstelt. Insofern kommen die Protagonisten
wie bei Pilcher-Rosi auch nicht als Ritter und Edelmänner auf weißen
Pferden oder in einem gleichfarbenen, vom Chauffeur Johann gesteuerten
Bentley daher, sondern als arme Schlucker, die Basta-Gerd, unser
unseliger Auto- und Selbstdarstellungs-Kanzler i.R., durch seine „Agenda
2010“ ins gesellschaftliche Abseits gestoßen und zu Hartz IV-Empfängern
degradiert hat. Was für die unmittelbar davon Betroffenen natürlich
„sub-optional“ ist, wie es der praktizierende Putin-Freund und heutige
Pipeliner in seiner unnachahmlichen Art ausdrücken würde.
Der Traum von Johnny und Melinda von der Hochzeit in Weiß, einem
Häuschen im Grünen, guten Jobs und glücklichen Kindern, den einst auch
„Audrey“ aus dem kleinen Horrorladen hegte, ist vorbei, nachdem die
Beiden „Hartz“ geleckt haben und aus dessen Füllhorn alimentiert werden.
Als praktizierende Jünger der neuen Unterschicht, an der der
wirtschaftliche Aufschwung spurlos vorbei geht, scheinen die
Perspektiven, dem tristen, vom Mangel dominierten Alltag entfliehen zu
können, ziemlich mau. Bis Johnny einen Brief erhält (allerdings nicht
vom Arbeitsamt), der das Leben aller Beteiligten radikal verändern soll.
Treffend und komisch
Das ist die Ausgangslage. Einen „lustvollen Abend“ verspricht Brian
Lausund, von dem das Buch zu diesem „neuen deutschen Musical“ stammt und
der auch Regie führt. Eine „schwungvolle Absage an Schicksalsergebenheit
und Langeweile“, nennt der gebürtige Amerikaner das von
eigenwillig-charmanten, intelligent-unverschämten Charakteren bevölkerte
Stück. Die von Hans Attenberger arrangierte Musik stammt von den
„Nil-Schlümpfen“ Daniel Matheis und Dominik Mayr und ist mit dem Begriff
„Schlager-lastig“ nur unzulänglich beschrieben. Die Diktion der
schwungvollen Partitur ist in etwa genau so schräg und hintersinnig, wie
es die handelnden Personen sind. „Hinterfotzig“ wäre in diesem
Zusammenhang vielleicht der treffendere Ausdruck. Die dazu passende und
urkomische Choreografie haben Eva und Gabi Büttner entwickelt.
Bei
der Besetzung verlassen sich die Eggenfeldener auf ihre
hauseigenen Kräfte: Harald Buresch, N. N., Susanne Muhr, Katharina Puchner,
Nicolas Schätzl, Thessy Meyer, Erich Meyer und Sebastian Goller. Die
Uraufführung erfolgt am Freitag, dem 1. Februar 2008. Weitere Termine
sind am 2., 3., 8., 9., 16. und 17. Februar. Bereits heuer gibt es
Überlegungen, die Produktion auch in der nächsten (und übernächsten)
Spielzeit zu berücksichtigen. Darüber hinaus ist auch eine Tournee nicht
ausgeschlossen.
Bericht von: Jürgen Heimann
Veröffentlicht am: 17.12.2007
URL des Berichts:
http://www.musical-lounge.de?id=2221